
Immer dann, wenn die landläufig bekannten Donnerstagsfeiertage – a.k.a. Brückentage – näher rücken, steigt das automobile Ruhrgebiet und Rheinland kollektiv in die Fahrzeuge, um schnurstracks Richtung Westen ans Meer zu fahren. Meist sind die Küstenorte unserer niederländischen Nachbarn dann das Ziel. In Orten wie zum Beispiel Domburg wird in solchen Zeiten das Straßenbild von deutschen KFZ-Kennzeichen aus Pott und Rheinland dominiert.

Nicht, dass dagegen irgendetwas zu sagen wäre, aber für diejenigen, die nach Duft und Wind der See gieren und bereit sind, nur wenig mehr an Fahrtzeit zu investieren, warten nur eine weitere Stunde entfernt noch einmalandere Erfahrungen ganz anderer Art. Unendlichen Variationen des Farbtons Sattgrün, zum Beispiel, in ihrer Intensität und Verwobenheit mit der umliegenden Hügellandschaft eine fast surreal anmutende Auenlandhaftigkeit ergebend.

Oder für (nicht nur) für meinen inneren Rheinländer ebenso überraschende wie erfreuliche Wandmalereien in den dortigen Dorfschänken. Deren Hauptattraktion dann allerdings nicht die kunstvolle Gestaltung des großen Raums für Gesellschaften darstellt, sondern die aus aus 2 Positionen bestehende Speisekarte. Eine dieser beiden Positionen verheißt dem Gast dies hier:
Mein Reisetip, der in Wahrheit eine eindrinliche Reiseempfehlung ist, gilt jenem Landstrich in Frankreich, der mit dem Kino-Smash-Hit ”Willkommen bei den Sch’tis“ zu breiterer Bekanntschaft gekommen ist: dem Pas de Calais. Denn – und das ist der Hauptgrund, Zeit und Sprit für eine zusätzliche Fahrstunde mit dem Auto zu investieren – man befindet sich in Frankreich. Savoir Vivre, gutes Essen, tolle Supermärkte – ich nehme an, die hier lesenden werden wissen, wovon ich rede.
Mag sein, dass aus französischer Perspektive das Pas de Calais ein Ort finsteren Schreckens ist. Aus deutscher ist es nach wie vor ein Ort großer Freude. Die auf dem Foto abgebildeten Moules Frites bei “Chez Nicole” in Wissant zum Beispiel haben schon in Social-Web-Kreisen nicht ganz unbekannte, Gault-Millau empfohlene Hamburger Gastronomen begeistert (und zuweilen maßgeblich bei der Gestaltung ihrer Speisekarte inspiriert). Ich würde dem Erstbesucher der Gegend eine Reise dorthin ans Herz legen. Der kleine Küstenort hat eine lange Geschichte, die man ihm bis heute ansieht und der zwischen den zwei Kreidefelsen Cap Gris-Nez und Cap Blanc-Nez (oben auf dem ersten Bild) eingebettete Sandstrand ist liegt wirklich malerisch schön. Bei viel Wind wird es zwar auch schnell ungemütlich, aber dafür hat das Auge dann zusätliches Futter – in Form der vielen Kiter, die dann draußen in der Brandung zum Teil atemberaubende Sprünge vollführen.

Die kulinarischen Qualitäten in Wissants selbst – mit Ausnahme der schon erwähnten Moules Frites – sind allerdings doch eher überschaubar. Die Biere einer Brauerei in der Umgend allerdings verdienen Beachtung, ebenso wie das Fleisch eines örtlichen Charolais-Züchters mit Hofverkauf (note to myself: nächstes Mal die selbstkühlenden Thermobox mitnehmen!). Außerdem gibt es da natürlich noch Calais – mit den für Frankreich typischen Einkaufszentren und Supermärkten am Stadtrand. Für mich ist der Besuch mindestens eines Leclerc oder Carrefour während eines Frankreich-Aufenthalts absolutes Pflichtprogramm1.
Den oben abgebildeten Steinbutt allerdings habe ich nicht in Wissant gegessen. Der stammt aus der Küche dieses jungen Mannes in Audresselles:

“A p’tit bonheur” heißt sein Restaurant und auch, wenn es Insidern zufolge nicht mehr die Qualität hat, die es zu Zeiten seines alten, inzwischen in die wohlverdiente Rente gegangenen Chefkochs Hugo auszeichnete, so ist es im Vergleich zum Angebot im Wissant doch immer noch mehr als eine Empfehlung wert. Zumal sich das “a p’tit bonheur” auch als ausgesprochen hübsche Location mit höchst gemütlicher “Gute-Stube”-Anmutung präsentiert.
Das Essen ist durch die Bank gut (wenn auch nicht hervorragend), auf der Karte finden sich größtenteils Fisch und Meeresfrüchten, die mir Binnenländer einmal mehr schmerzlich demonstrieren, wie unendlich viel besser Fisch oder Muscheln schmecken, wenn sie WIRKLICH fangfrisch sind. Der junge Service gibt sich viel Mühe und macht gelegentliche Schwächen durch viel jugendlichen Charme wieder wett.
- dazu in den nächsten Wochen noch ein kurzer Servicebeitrag ↩






