Glasklare Gefühle

Von einer Provinzschönheit… (a.k.a. Narbonne)

Ich hatte es ja hier versprochen, folgend nun also ein kleines Loblied auf eine mir am sehr Herzen liegende Schönheit aus Südfrankreich: die Stadt Narbonne.

Was mir so besonders an ihr gefällt? Nun, Narbonne besticht durch ganz ungemein durch einen leicht verschlafen wirkenden, deshalb letztlich aber um so sympathischeren Charme. Der Lauf der Geschichte ist der Stadt – nachdem sie einmal zu einer der wichtigsten römischen Siedlungen außerhalb Italiens gehörte – schon vor ein paar Jahrhunderten weit voraus enteilt, bei der Planung des Canal du Midi blieb folgerichtig man ebenso unberücksichtigt (der Kanal auf dem Foto ist der ungleich unwichtigere Canal de la Robines), wie die ursprünglich riesig angelegte Kathedrale unvollendet.

Überhaupt – die Kathedrale. Ein Kölner fühlt sich ohnehin jeder Stadt mit Großkirche grundsätzlich erst einmal seelenverwandt. Die Kölner müssen sich ja bei der Schilderung ihres Wesens öfter anhören, ihren geliebten Dom einfach ein paarhundert Jahre unvollendet stehenlassen zu haben. Und erst als dann ein protestantischer (!) Kaiser (!!) vorbeigekommen sei und ihnen das Geld für die Fertigstellung verschafft hätte, sei man zur Fertigstellung in der Lage gewesen.

Die Narbonner standen – ganz ohne kaiserliche Hilfe – zu einem deutlich früheren Stadium von dem gleichen Problemen: Das ursprüngliche Reichtum der Stadt perdu, das Geld verbraten, der Bau aber nach wie vor unvollendet. Die Lösung, die die Bürger der südfranzösischen Stadt dann ergriffen, ist in seiner Mischung aus Pragmatik und Niedlichkeit wohl wirklich einzigartig:

Als die Gelder endgültig versiegt waren und trotzdem nur mal gerade der Chor der geplanten Großkirche fertiggestellt war, zog man einfach ein Mauer nach oben und nahm das Gotteshaus eben einfach als Fragment in Betrieb. Dieses Bekenntnis zum Unperfekten, die Bereitschaft zur offensiven Notlösung erfreut die rheinische Seele ganz, ganz tief im Inneren.”Seht ihr, hätt noch immer joot jejange!” denkt man zufrieden.  Und sieht sich angesichts des Unfertigen zudem einmal mehr in dem Gefühl bestätigt, dass einen schon in Reims, Mailand und vor Notre-Dame beschlich – nämlich, dass die schönste, größte und fertiggestellteste (doch, im Rheinland kann man das so steigern) – kurzum: die Mutter aller Kathedralen eben doch am Rhein steht.

Aber der wahre Schatz dieser Stadt ist ohnehin eine andere Perle der Baukunst, nämlich die Anfang des letzten Jahrhunderts erbaute Markhalle, die völlig zurrecht als einer der schönsten Markthallen der französischen Provinz gilt:

Und nicht nur die Jahrhundertwende-Architektur kann sich sehen lassen, auch das Angebot innen ist von bemerkenswerter Qualität und Fülle:

Eine gigantische Käseauswahl, jede Menge Geflügel Effilee, Hirn und Meeresfrüchte ohne Ende – für Foodies ist die Markhalle ein echtes Paradies, das den Besuch wirklich lohnt. Geöffnet hat man übrigens ganz buchstäblich täglich, satte 365 Tage im Jahr. In der Markthalle selbst gibt es übrigens ausschließlich Lebensmittel. Alle anderen typischerweise auf Märkten gehandelten Güter werden vor der Halle an Ständen, die sich rings um ein Teilstück des Canal de la Robine schmiegen. Der Besuch sei allen Languedoc-Reisenden wirklich wärmstens an Herz gelegt…

Les Halles Narbonne
täglich von 07:00 – 13:00
(demnächst sogar mit freiem WiFi)

Dass die Weine der Gegend großartig sind, muss ich als Languedoc-Freund ja nicht eigens betonen. Aber wo wir gerade dabei sind, eine kurze Verkostungsnotiz zu diesem Wein hier hatte ich ja auch noch angekündigt:

Cuvée Infernal
Vignerons d’Orfée
Ornaisons

Einmal mehr bestätigt sich: es gibt kaum Gegenden in Frankreich, in denen man soviel Geschmack für sein Geld ins Glas bekommt, wie bei den besseren Qualitäten des Languedoc. Eine extraktreiche und ungemein dichte Cuvee aus 70% Grenache und 30% Syrah wabert hocharomatisch im Glas. Tief undurchdringliche Farbe. In der Nase dunkle, vollreife Früchte (Schwarzkirsche und ein Hauch von Pflaume) gepaart mit Röstnoten und Schokoladentönen. Am Gaumen bestätigt sich der Eindruck von Dichte und Konzentration. Eine schwere Fruchtsüße liegt auf dem Gaumen, obwohl der Wein sicher nominal trocken ist, dazu gesellt sich ein Hauch eines Bittertons – nicht störend, sondern dem Wein ganz im Gegenteil Struktur und Statur gebend. Auch aromatisch bestätigen sich die Eindrücke vom Bouquet: Bitterschokolade und Kirschen sind es, die einem in den Sinn kommen. Mon Cherie auf eine ebenso intensive wie hochelegante Art. Eine Wuchtbrumme, die ich gern einmal zur ein paar Stücken von Blyss probieren würde.

Übrigens gibt es den Wein, genau wie den Rosé aus gleichem Hause, beim Blogsponsor zur Zeit zum Sonderpreis (Klick aufs Foto führt dorthin).

 

 


  • Torsten Goffin ...
    ... behauptet von sich selbst, er habe schon Food- und Wein-Blogs gelesen, als die noch vor 8 Lesern in kleinen finnischen Clubs gekocht haben" ... Seit 2009 schreibt er in seinem Blog "Allem Anfang..." über „Essen, Trinken und andere Formen von Kultur“. Auch hier bei uns beschäftigt er sich mit Geheimrezepten und Köstlichkeiten aller Art, schreibt über kulinarische Tipps und Tricks und gibt Lese- und Reiseempfehlungen - immer auf der Suche nach neuen, aufregenden Erfahrungen und Glasklaren Gefühlen.