Heute also zum dritten und vorletzten Teil (Hier gehts zu Teil 1 und Teil 2) der Berichterstattung meines kleinen Wochendendes in Hamburg.
Herr Paulsen hatte ein wirklich blitzsauberes Menü zusammengestellt. Regional/saisonal (man traut es sich ja jetzt schon kaum noch, die Begriffe so zu verwenden) lautete Konzeption, radikal war die Konsequenz seiner Umsetzung. Die Details und die Überlegungen, die Stevan dazu geführt haben, finden sich in seinem Bericht des Abends drüben bei Nutriculinary. Ich kann mich hier deshalb dankenswerterweise auf ein paar Anmerkungen konzentrieren – und etwas paar Worte zu den dazu ausgesuchten Weinen verlieren.
Entenlebercreme mit Senf-Birnen-Gelee, süßen Zwiebeln und Hefekuchen
Zu fast allen Tellern gab es zwei verschiede Weine gleichzeitig zu probieren. Hier war es der auch schon als Aperitiv getrunkene Mannwerk 2010, der mit seinem leicht erhöhten Restzucker sehr gut zu Leber, Brioche und Birnen paßte . Als Alternative zum Mosel-Riesling hatte ich etwas Besonderes herausgesucht – einen Schaumwein gemacht nicht Trauben, sonder aus einer ganz speziellen Birnen-Art, der sogenannten Champagner-Bratbirne. Als Idee ist das bei weitem nicht so verwegen, wie es sich auf den ersten Moment anhört. Leber mit Apfel oder Birne ist ohnehin aromatisch eine klassische Verbindung, und diese Aromen sollten also auch im Getränk gut harmonieren. So weit zur Theorie – die in der Praxis beinahe aufging. Allerdings auch nur beinahe. Denn ich hatte unter den zur Verfügung stehenden 3 Varianten des Schaumweins die trockenste ausgewählt. Leider, wie man sagen muss, im Nachhinein hätte zur Leber – so wie beim “Mannwerk” – ein Hauch mehr an Zucker (“trocken” anstelle von “brut”) ganz sicher besser gepasst.
Trotzdem muss man feststellen, dass der Birnenschaumwein von wirklich erstaunlicher Qualität und Finesse war. Das wird mit Sicherheit nicht das letzte Foodpairing-Experiment damit gewesen sein. Die Komponenten auf dem Teller waren übrigens allesamt ohne Fehl und Tadel. Mein ganz persönlicher Liebling war der/die/das Brioche, das wirklich nahezu perfekt die Parameter Schwere/Feuchte und Leicht-/Lockerheit ausbalancierte. Von fast schlotziger Schwere und doch fluffig zugleich. Ein Traum, den wir letztlich Missboulette verdanken.
Mit Helbing Kümmel gebeizter Saibling mit warm geröstetem Blumenkohl-Pumpernickel, Kressecreme und gesalzenen Gurken auf schwarzem Rettich
Ein feiner Teller – einer meiner beiden Lieblinge an diesem Abend. Wäre dem vorbereitenden Sommelier bekannt gewesen, womit der Saibling gebeizt wurde, hätte vermutlich für Wasser und eben diesen Helbing Kümmel als Getränke-Begleitung plädiert. So aber hatte ich zwei andere Weine für diesen Gang herausgesucht. Zum einen 2006er Riesling von der Nahe aus dem Keller vom Gault-Millau Winzer des Jahren (2010) Tim Schäfer Fröhlich, der Schloßböckelheimer Felsenberg (ein Name wie von Loriot, findet ihr nicht?). Ein ungemein mineralischer Wein, der Anfangs fast ein wenig verstörte. Es gibt eine bestimmte Form der Mineralität, die dem Wein anfangs Aromen mitgibt, die allzu leicht mit Petrol-Tönen zu verechseln sind. So auch hier. Anfangs umschwebt ein deutlicher Hauch von Tankstelle das Glas. Ein Eindruck allerdings, der sich mit der Zeit legen sollte, um der Tiefe dieses Weines Platz zu machen. Hätte idealerweise vorher dekantiert werden sollen (shame on me).
Die Überraschung dann der 2. ausgesuchte Wein. Ich war mir vorher schon sehr sicher, dass er zum gerösteten Blumenkohl und auch zum Pumpernickel gut passen würde. Wie gut, ja kongenial er das dann aber tat und wie er auch auf das Wortreichste lange Dialoge mit Saibling, Rettich und Gurken einging, das hat mich dann doch überrascht. Menschen, die mich nicht nur hier sondern auch bei “Allem Anfang” lesen, wissen vielleicht, dass ich eine Leidenschaft für den “Weinbastard” Rosé hege. Als zweiten Wein für diesen Gang hatte ich deshalb den in meinen Augen vielleicht besten deutschen Rosé ausgesucht: Rosé de Diel von Armin Diel. Zusammen mit dem i-Tüpfelchen der farblichen Korrespondenz zum Saibling ergab das die beste Kombination des Abends – ein “perfect match”. Mehr zu diesem Wein (bzw. dem Vorgängerjahrgang) findet sich übrigens in meinem Heimatblog. Überraschenderweise war dies der günstigste Wein des Abends (abgesehen vom “Manwerk”).
Gebratener Grünkohl mit gedämpften Nordsee-Krabbenbällchen, Honig-Pfeffer-Jus und Weißweinsauce
Mein definitiver Lieblingsteller des Abends. Grünkohl fernab von aller “Pupsigkeit”. Nichts kohliges, keine metallischen Anklänge, einfach nur der knackige Geschmack frischen grünen Gemüses. Und auch die Bällchen – Was ist der Lieblingssatz des Rheinländers an der Eisdiele? Tun se misch drei Bällschen! – zurück zum Thema: Paulsen selbst hatte anfänglich die Befürchtung, die Krabbenbällchen seien unter Umständen ein wenig unmodern, irgendwie “retro und zu 9oer” (O-Ton). Schnick-Schnack sage ich und lobpreise die ungemein feinen, ja fast filigranen, sehr klar und pur wirkenden Meisterwerke. Gerade eben waren sie intensiv genug, um sich neben dem Kohl behaupten zu können.
Ein großes Gewächs stand beim letzten Gang auf dem Tisch, mit gleich zweien davon ging es bei diesem weiter. Der klassischen und nur sehr bedingt richtigen Empfehlung “Fisch=Weißwein” folgend, dem Grünkohl aber insofern Tribut zollend, als dass zwei echte Wuchtbrummen auf den Tisch kamen. Und was für welche. Einmal aus Rheinhessen, einmal von der Nahe, aus den Jahren 2009 und 2010, und selbst in der Königsklasse “Großes Gewächs” herausragende Vertreter ihres jeweiligen Jahrgangs. Namentlich waren das der Niersteiner Pettenthal 2009 von Kühling-Gillot und der Monzinger Halenberg 2010 aus dem Hause Emrich-Schönleber. Zwei absolute Ausnahmerieslinge. Interessant dabei, wie bei aller Unterschiedlichkeit beide demonstrierten, was große trockene Rieslinge auszeichnet: intensive Mineralität und abgründige Tiefe. Gleichzeitig zeigten sie im direkten Vergleich auch, wie Unterschiedlich die beiden Jahrgänge in ihrer Charakteristik waren. Ich hatte schon beim Mannwerk auf die jahrgangstypischen hohen Säurewerte hingewiesen und so haben alle am Tisch den 2010 im direkten Vergleich blind zielsicher erkannt. Bevorzugt haben allerdings alle den 2009er. Den Pettenthal macht seine fast brachiale Mineralität so unverkennbar, dass ich mir zutrauen würde, ihn als einen der ganz wenigen Weine, die ich kenne, auch in einem größeren Feld blind zu erkennen.
Übrigens, so grandios und einzigartig beide Weine auch waren – sollte ich nochmal etwas zu diesem Teller aussuchen müssen, würde ich wohl ein Klasse niedriger einsteigen. Beide Weine forderten für meinen Geschmack etwas zuviel an Aufmerksamkeit, etwas weniger an Intensität hätte eine echte Vermählung zwischen Glas und Teller leichter gemacht. Die großen Gewächse waren einfach eine Spur zu mächtig. Eine vielleicht auch mineralische aber etwas einfachere Spätlese hätte dem Essen mehr gedient. Ein kräftiger Weißburgunder wäre eine gute Alternative gewesen.
Mehr zu diesem Thema und den letzten drei Gängen des Abend in Teil 4 der Schatzstadt-Reihe, der vermutlich Anfang der nächsten Woche online geht…
* Allen, die mit dem Begriff “Schatzstadt” nichts anfangen können, sei der hinter diesem Link liegende Song auf das Eindringlichste ans Herz gelegt – eine der schönsten Hymnen die der freien Hansestadt Hamburg wohl jemals gesungen wurden.
[…] Die letzten drei Teller und ein Fazit meiner kleinen Hamburg-Berichterstattung stehen ja noch aus. Heute also zum vierten und unwiderruflich letzten Teil der Schatzstadt*-Reihe (was bisher geschah: Teil 1, Teil 2 und Teil 3). […]