Glasklare Gefühle

Schatzstadt*, Teil 2 (a.k.a. I put a spell on cork!)

5 Flaschen kaufte ich irgendwann zwischen 1999 und 2000 von diesem Wein. Teuer war er – schon damals. Jedenfalls für einen deutschen trockenen Spitzen-Weißwein. Und auch heute noch gibt es nicht besonders viele trockene Rieslinge, die teurer sind, als die trockenen Künstler-Auslesen damals. Nicht, dass dies irgendetwas über Qualität im allgemeinen aussagte. Es sagt allerdings etwas über meine ganz spezielle Wertschätzung für diesen Wein aus. Für dieses Ereignis schien er mit eine angemessene Wahl zu sein.

Damals, zum Zeitpunkt des Kaufs, war dies schlicht und einfach der beste trockene deutsche Weißwein, den ich bis dahin getrunken hatte (übrigens: so viele, die ihn hätten übertreffen können, sind  in den letzten fast 15 Jahren nicht dazugekommen). Ich erinnere mich noch genau an die erste Flasche, die ich probierte – im Abschluß an eine großartige Probe  im Keller des Edekaners. Der Wein hatte mich so sehr beeindruckt, dass ich mir trotz eines Preises weit oberhalb meiner Schmerzgrenze ein paar Flaschen davon in den Keller gelegt hatte. Für die berühmten ganz besondere Gelegenheiten. Wie die Einladung letztes Wochenende, eben. Da schien mir eine der letzten beiden Flaschen eine gute und angemessene Wahl. Nicht zuletzt, weil wir zuvor zwei sehr, sehr gute jüngere Rieslinge getrunken haben würden (dazu mehr in Teil 3) und etwas Gereifteres in vergleichbarer Qualität im Anschluß sich nahezu als zwingend aufzudrängen schien. Prinzipiell ein guter Plan, ein hervorragender sogar. Allein…

…so sah die Flasche nach dem Entfernen der Kapsel aus – und das ließ nichts Gutes hoffen. Und in der Tat: der Korken war offensichtlich nicht völlig dicht (obwohl der Füllstand der Flasche immer noch in Ordnung war). Der Wein selbst: Korkig, muffig, ungenießbar. Und wie so oft, bei Weinen dieser Klasse mit fehlerhaften Korken blitzte die Qualität immer noch deutlich wahrnehmbar hinter all dem Unschönem hervor. Natürlich waren die Fehltöne viel zu stark, um ein Weitertrinken diese Weins auch nur im Ansatz denkbar zu machen. Und doch war das, was da neben all dem Muff aus dem Glas entgegenkroch, eine Verheißung. Eine uneinlösbare allerdings. Ich glaube, das ist die allerschlimmste Frustration die korkige Flaschen auslösen. Der –zuweilen nicht ganz unerhebliche – finanzielle Verlust? Geschenkt. Unschön zwar, aber damit könnte ich noch leben. Aber dieser Moment von Häme, mit dem wer auch immer – das Schicksal, die Weingötter, das Karma – mich immer wieder ziemlich deutlich ahnen lässt, was ich da gerade zu verpassen gezwungen werde  und zwar unwiderruflich und fast immer ohne jede Möglichkeit des Ersatz’ – der macht noch heute fast jede einzelne Flasche korkigen Wein für mich zu einem nur sehr, sehr schwer erträglichen  Ärgernis.

Weshalb ich inzwischen übrigens  – so man mir denn die Wahl lässt – Weine mit alternativen Flaschenverschlüssen ganz entschieden bevorzuge. Und nein: der Wein muss nicht durch den Korken atmen. Und ja, das Plopp des Korkenziehens ist ein romantisches Element. Aber trotzdem – bei weitem nicht so romantisch wie das soeben Beschriebene frustrierend ist. Aber zu (alternativen) Verschlüssen vielleicht ein anderes Mal mehr…

* Allen, die mit dem Begriff “Schatzstadt” nichts anfangen können, sei der hinter diesem Link liegende Song auf das Eindringlichste ans Herz gelegt – eine der schönsten Hymnen die der freien Hansestadt Hamburg wohl jemals gesungen wurden.

1 Kommentar

  1. [...] also zum dritten und letzten Teil (Hier gehts zu Teil 1 und Teil 2) der Berichterstattung meines kleinen Wochendendes in [...]


  • Torsten Goffin ...
    ... behauptet von sich selbst, er habe schon Food- und Wein-Blogs gelesen, als die noch vor 8 Lesern in kleinen finnischen Clubs gekocht haben" ... Seit 2009 schreibt er in seinem Blog "Allem Anfang..." über „Essen, Trinken und andere Formen von Kultur“. Auch hier bei uns beschäftigt er sich mit Geheimrezepten und Köstlichkeiten aller Art, schreibt über kulinarische Tipps und Tricks und gibt Lese- und Reiseempfehlungen - immer auf der Suche nach neuen, aufregenden Erfahrungen und Glasklaren Gefühlen.