Glasklare Gefühle

Der dritte Donnerstag im November… (a.k.a. Beaujolais Noveau)

Habt es jemand bemerkt? Heute war der dritte Donnerstag im November. Der Tag, an dem es seit 19851 in Frankreich heißt: “Le Beaujolais Nouveau est arrivé!”. Nein, nicht aufgefallen? Dachte ich mir! Denn vom ursprünglichen Hype der 80er und 90er Jahre ist nicht mehr viel übrig (wo gibt es heute noch Partys zum Beaujolais Nouveau?). Trotzdem kommt man nicht umhin festzustellen, das sich mit diesem Begriff eine der wohl erfolgreichsten Wein-Marketing-Kampagnen aller Zeiten2 verbindet.

Eine von durchaus zwiespältigem Erfolg, allerdings. Denn einerseits ist es so zwar tatsächlich gelungen, das Anbaugebiet Beaujolais buchstäblich weltweit bekannt zu machen – andererseits aber nur auf Kosten eines massiven Verlusts an Renommee. Im Jahre 2002 waren es nämlich stolze 50% (Quelle: Wikipedia) der gesamten Weinproduktion des Beaujolais, die unter der Primeur-Kampagne vermarktet wurden. Und somit die Wahrnehmung des gesamten Weinproduktion des Gebiets logischerweise zu einem Großteil bestimmen. Was sehr, sehr schade ist. Denn so nett (ihr erinnert Euch? Nett ist die kleine Schwester von …) die Primeurs auch sein mögen – positiv ausgedrückt: sehr, sehr fruchtig, frisch und unkompliziert – sie sind doch vordergründig, stets etwas dropsig, eher dünn und von höchst beschränkter Lebensdauer. Um es kurz zu sagen: Weine von überschaubarer Qualität.

Dass ausgerechnet diese Weine die allgemeine Wahrnehmung auch der sonstigen Produktion des gesamten Gebiets beeinflussen, entbehrt nicht einer gewissen Tragik. Denn so hat sich für das Beaujolais also Synomym für nicht weiter beachtenswerte, einfache Weine dauerhaft in den Köpfen der Verbraucher etabliert. Dass von dort durchaus erstzunehmende und lagerfähige Weine kommen können, stößt in aller Regel wenigstens auf Erstauen, wenn nicht gar auf Unglauben. Die Existenz von Crus, also qualitativ hochwertiger Ortslagen wie zum Beispiel Fleurie, Saint Amour oder Moulin a Vent, ist weithin ebenso unbekannt , wie die Tatsache, dass bessere Beaujolais eine zum Teil sehr erstaunliche Alterungsfähigkeit besitzen. Dieser Wein hier, zum Beispiel…

…zum konnte im letzten Jahr in einer recht hochwertig besetzten Burgunderprobe durchaus mithalten. Blind getrunken, war ihm sein Alter zwar anzumerken, aber auf Beaujolais oder die vermeintlich minderwertige Rebsorte Gamay ist niemand der Anwesenden – darunter einige erfahrene Weinprofis – gekommen.

Und auch dieser Wein, der l’Ancien von Beaujolais-Qualitätsfanatiker und Ausnahme-Winzer Jean-Paul Brun von Terres Dorees…


foto: Christoph Raffelt/Originalverkorkt

…ist ein Wein, der mit Beaujolais, wie man ihn gemeinhin kennt, so gut wie nichts zu tun hat. Ein Wein, der locker mit nahezu allen Burgundern seiner Preisklasse mithalten kann. Oder, wie es Christoph von Originalverkorkt in seinem Blog ausgedrückt hat: “ein Wein mit Arsch in der Hose!”

Um nicht falsch verstanden zu werden: ich möchte niemandem sein Recht auf einfache, unkomplizierte Weine und auf “Easy-Drinking” absprechen. Nicht jeder Wein muss Material für anderthalb Seiten Verkostungsnotizen hergeben. Im Gegenteil: auch die Noveaus haben ihr Recht und ihre passenden Gelegenheiten. Und gäbe es heute Abend hier irgendwo ein Party, mit Live-Musik, Quiche und eben Beaujolais Noveau, ich würde nur zu gerne hingehen. Traurig stimmt mich aber die Tatsache, dass unter hinter dem Marketing-Hype eine Menge wirklich guter Weine und Winzer fast völlig zu verschwinden drohen. Allen, die bis hierhin durchgehalten haben, empfehle ich, sich dem Thema einmal mit einem Beaujolais-Cru zu nähern. Auch der Sponsor und Gastgeber dieses Blogs hier, hat davon ein paar in seinem Sortiment.

 

 

 

  1. Von 1967 bis zu 1985 war des der 15. November, und davor, seit sage und schreibe 1951, war es der 15. Dezember. Ursprünglich mussten sich die Beaujolais-Winzer die Erlaubnis, den Wein noch im Jahr seiner Ernte verkaufen zu dürfen, als Ausnahme-Regelung vom französischen Weinrecht vor Gericht erstreiten.
  2. Eng verbunden mit diesem Erfolg ist der Name des Beaujolais-Handlesgigant Georges Duboeuf, der Anfang der 50er Jahre die Jungwein-Kampagne initiert und etabliert hat.

1 Kommentar

  1. […] von vielen Weinfreunden so sträflich unterschätzt wird. Auch von Beaujolais-Ausnahmewinzer Jean Paul Brun und seinen Weinen war in diesem Zusammenhang die […]


  • Jan Buhrmann ...
    ...ausgebildeter Restaurant- fachmann und Wein-Enthusiast! Über viele Stationen in der deutschen Spitzen-Gastronomie und ständige Fort- und Weiterbildung gelangte er schließlich in die Wiesbadener "Ente", wo er knapp drei Jahre Herr über rund 2.000 Weine war. Den Glasklaren Gefühlen leiht Jan Buhrmann seine Stimme und wird dabei von Gastautoren unterstützt. Sie bloggen natürlich über Wein, Essen, kulinarische Tipps sowie Tricks und geben Lese- und Reiseempfehlungen - immer auf der Suche nach neuen, aufregenden Erfahrungen und Glasklaren Gefühlen.